Reise nach Takefu mit Markus Hochuli 3/3 (Fortsetzung von Seite 2)
en avant:
Wenn ich Meinungen zu Ihrem Auftritt im Tempel höre – ich war leider nicht anwesend –, dann hat sich das Konzert gewandelt und wurde zu einem Event. Die naive, offene Sensibilität des Publikums ermöglichte diesen "Event", reagierend auf Ihre intuitive Entscheidung zur Art der Darbietung und Ihre Anpassungsfähigkeit an die vorgefundene Atmosphäre. Westliche "Avantgarde" durfte hier im Rahmen "Neue Musik" nicht mehr kämpferisch, experimental, sondern eher gereift gewirkt haben. Der Event vermittelte sich nicht über ein Konzept oder eine oberflächliche multikulturelle Idee, sondern konnte mit relativierten Aspekten von verschiedenen Seiten aus erlebt werden. Gern vergleiche ich den Begriff "Neue Musik" zum Beispiel mit "Ars Nova". Der damalige "neue" Stil stand "Ars Antiqua" gegenüber und umfasste gleichzeitig diese Epoche, aber auch ein Musikgenre. Das hilft mir die "Neue Musik" zu erfassen. Sie spielen Musik bis hin zur "Renaissance", zu der es viele wissenschaftliche Informationen und Hinweise gibt und beherrschen auch das Instrument "Theorbe". Folgen Sie auch bei der alten Musik Ihren Intuitionen und erleben einen spontanen Wechsel der Aspekte, so wie Sie es bei der gegenwärtigen Musik schildern?
Markus Hochuli:
Intuition ist natürlich immer sehr wichtig und wahrscheinlich für alle Menschen eine ständige Begleiterin, nicht nur in der Kunst, sondern auch im täglichen Leben. Viele gute Ideen kommen durch Intuition, manchmal täuscht sie auch und so ist es sicher gut, wenn man sie mit Analyse und Nachdenken kombinieren kann. Wenn eine Idee sehr einleuchtend ist, vergisst man meistens, ob sie durch Intuition oder Nachdenken entstanden ist und meistens sind Gedanken eine Mischung von beidem. In der Kunst schreibt zum Glück niemand vor, wie ich zu denken habe. In der Wissenschaft ist es wohl eher möglich, dass kreative Ideen durch eine bestimmte Art wissenschaftlichen Denkens sich nicht durchsetzen können.
Ich würde trotzdem nicht sagen, dass mein Zugang zu Renaissancemusik besonders intuitiv ist. Intuition ist immer ein Teil meines Denkens, aber nicht der einzige. Wenn ich zum Beispiel Lauten-Fantasien der Renaissancemusik studiere, bin immer wieder verblüfft, mit welcher intellektuellen Konsequenz und mit wie modernen Ideen die Komponisten wie Dowland, Molinaro oder Mudarra damals an die Musik herangegangen sind. Dort sind Ideen zu finden, die erst viel später in der seriellen oder der elektronischen Musik wieder aufgegriffen wurden. Es gibt einzelne Stücke, die ganze Weltmodelle enthalten, wo man das Gefühl hat, das der Quintenzirkel ein Symbol wird für die Welt, die auch im 16. Jahrhundert das erste Mal umsegelt wurde, oder für die zwölf Stunden auf einem Zifferblatt. Auch solche Interpretationen sind natürlich wieder eine Mischung aus Intuition und Analyse. Beweisen lassen sie sich nicht, trotzdem sind sie mehr als nur Spekulation.
en avant:
Vielen Dank für das interessante Interview und Ihren Japanreisebericht! Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit und eine weitere attraktive Produktion.
Link: Profil Markus Hochuli
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