Reise nach Takefu mit Markus Hochuli 2/3 (Fortsetzung von Seite 1)
en avant: Markus Hochuli: Als ich die Einladung für dieses Tempelkonzert bekam, war mir schnell klar, dass ich gerne dieses Stück spielen möchte, und wenn möglich am Boden (statt auf einem Tisch) oder auf einem sehr tiefen japanischen Tisch. Ich habe es dann tatsächlich knieend gespielt und das Instrument auf einen sehr tiefen Tisch gelegt. Das heißt, dieses Stück hat eigentlich mit Japan wenig zu tun, hat aber durch diese Reise ganz neue Aspekte bekommen, es ist durch das andere Umfeld ein japanisches Stück geworden. Diese Reise eines Musikstückes, das sich durch die Reise in ein anderes Stück verwandelt hat mich sehr fasziniert. Ich glaube, dass das Publikum etwas von dieser Reise verstanden hat, es reagierte sehr begeistert. Der Mönch, der diesen buddhistischen Tempel pflegt und auch anwesend war, meinte sogar zu mir, dass es ein wunderbares Stück sei für eine Zen-Meditation. Zurück zu Ihrer Frage mit der Seelenverwandtschaft zwischen Koto und Gitarre. Es gibt in allen Kulturen gezupfte Saiteninstrumente, alle haben ihre Ähnlichkeiten, aber auch ihre unverwechselbaren Eigenheiten. Ich finde diesen Reichtum an Instrumenten verblüffend und sehr anregend. Deshalb habe ich auch schon Werke mit Banjo oder elektrischer Gitarre und anderen Instrumenten gespielt. Bei der Koto war es eher Toshio Hosokawa, der aus mir und meiner Gitarre Kotoklänge herauslockte. Und natürlich hat mich dabei der Klang der Koto für meine Interpretation beeinflusst. Bei anderen Stücken kann die Inspiration aber natürlich auch von anderen Seiten kommen.(Fortsetzung auf Seite 3)
Die Ähnlichkeit Ihres Gitarrespiels mit dem Kotospiel bei Ihrem Konzert im Buddhistischen Tempel wurde von Professor Yuji Numano in der Zeitschrift "Mostly Classic" ausdrücklich erwähnt. Das der Zither ähnliche Instrument mit dreizehn Saiten (sich entwickelnde Seitenzahl von zwei bis achtzig) blickt allein in Japan auf eine etwa eintausendachthundertjährige Geschichte zurück. Viele Kotospieler suchten nach erweiterten Ausdruckmöglichkeiten für ihr Instrument. Sie entdeckten u.a. Bereiche, die im Westen durch die "Neue Musik" erschlossen sind. Es gibt bereits viele "moderne Werke für Koto". Im erwähnten Tempelkonzert spielten Sie von Thomas Lauck das Gitarresolo "Ombra della Sera". Diese Komposition und Ihre Interpretation des Werkes in Takefu wurden sehr positiv beurteilt. Sehen Sie eine Seelenverwandtschaft zwischen Gitarre und Koto und haben die Ausdruckmöglichkeiten auf der Koto Ihre Spielweise beeinflusst?
Ich glaube, ich muss etwas ausholen, um diese Frage zu beantworten. Das Stück "Ombra della Sera" von Thomas Lauck ist ein sehr spezielles Stück. Die Gitarre wird auf einen Tisch gelegt und dort mit Cellobogen, Schrauben und einer Glaskugel behandelt. Vordergründig könnte man es also als ein typisches Werk der westlichen Avantgarde bezeichnen. Gleichzeitig hat der Komponist darin seine Eindrücke von einer über 2500 alten etruskischen Statue verarbeitet und er versteht das Stück als eine sehr gesangliche Musik, die eigentlich mehr mit Italien und mit "bel canto" zu tun hat, als mit "zeitgenössischer Musik".
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